Tamm - Ludwigsburg

Veröffentlicht am: 04.01.2003 von Holger Schröck in: Schiedsgericht » Urteile Drucken

In der Schiedssache

des Schachclubs Tamm
Protestführer/Berufungsführer (Gastgeber)

gegen

die Schachgemeinschaft Ludwigsburg
Protestgegner/Berufungsgegner (Gästemannschaft)

wegen Teilnahmeberechtigung und Spielwertung

hat das Verbandsschiedsgericht durch Dr. Rolf Gutmann als Vorsitzenden und Siegfried Kast und Rolf Burkert als Beisitzer am 4.1.2003 für Recht erkannt:

Die Berufung gegen den Schiedsspruch des Bezirksschiedsgerichts Unterland vom 22.10.2002 wird zurückgewiesen.
Der Protestführer trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Begründung:

I.

Der Prost führende Gastgeber erstrebt die rückwirkende Erteilung einer Teilnahmeberechtigung und dadurch die Aufhebung einer wegen Einsatzes eines nicht teilnahmeberechtigten Spielers erfolgte Spielwertung des Spielleiters.

Der Gastgeber meldete vor Beginn der Saison 2002/2003 per eMail seine 2. Mannschaft für die Bezirksliga Süd. Zu dem in der Meldung auf Rang 1 angegebenen Spieler war die Nummer einer vorläufigen Spielberechtigung beannnt.. Nach einer versehentlichen Löschung dieses Spielers in der vom Schachverband Württemberg geführten Mitgliederliste hatte der Passbeauftragte den Fehler in der Eingabe in das Spielerverwaltungsprogramm durch Erteilung einer vorläufigen Spielgenehmigung (nummerierten Bescheinigung) am 31.7.2002 behoben. Die Nummer der vorläufigen Spielgenehmigung wurde in der Mannschaftsmeldung angegeben. Der Spielleiter unterrichtete am 10.9.2002 per eMail alle Vereine über die Mannschaftsaufstellungen und teilte zu einzelnen Spielern mit, so auch für den fragliche Spieler, dass ihr Einsatz vorerst unzulässig sei. Der Gastgeber hatte nach seinen Angaben wegen einer PC-Reparatur von Anfang September 2002 bis 2.10.2002 keinen Zugang zu seinem eMail-Fach.

Der Gastgeber setzte den fraglichen Spieler bei einem Wettkampf der Parteien am 22.9.2002 ein. Das Ergebnis des mit 2 ½ : 5 ½ endenden Wettkampfes wertete der Spielleiter am selben Tag in ein 0 : 8 um und unterrichtete die Parteien per eMail. Die Proteste des Gastgebers wurden vom Bezirksschiedsgericht zurückgewiesen. Der Protest gegen die Versagung der Teilnahmeberechtigung sei verspätet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht als Postempfänger nicht zu gewähren und deshalb auch die Umwertung des Ergebnisses des Wettkampfes durch den Spielleiter zutreffend.

Der Gastgeber beantragt mit seiner Berufung, in Abänderung des angefochtenen Schiedsspruchs rückwirkend für den fraglichen Spieler die Teilnahmeberechtigung zu erteilen und die Umwertung des Wettkampfes aufzuheben. Die Versagung der Teilnahmeberechtigung sei ihm nicht zugegangen und der Protest hiergegen deshalb rechtzeitig. Der Spielleiter habe nicht auf eine unvollständige Mitgliederliste, die auch die nummerierten Spielgenehmigungen nicht enthalten habe, nicht vertrauen dürfen. Die Gästemannschaft hat sich nicht geäußert.

II.

1. Rechtsfehlerhaft wurde der Spielleiter von der I. Instanz als Verfahrensbeteiligter bezeichnet. Doch entspricht seine Rechtsstellung der eines Rechtspflegers, der gegen ihm nicht genehme Entscheidungen des übergeordneten Amtsrichters ebenfalls kein Rechtsmittel einlegen darf. Der Spielleiter ist deshalb nach der ständigen Spruchpraxis des Verbandsschiedsgerichts nicht am weiteren Verfahren beteiligt.

2. In der Sache können die Einwendungen des Gastgebers die angefochtene Entscheidung nicht erschüttern, wobei Art. 19 Abs. 4 GG die rückwirkende Erteilung einer Teilnahmeberechtigung im Einzelfall gebieten kann.

a) Der Gastgeber behauptet, nicht sein Vorsitzender sei der zuständige Postempfänger gewesen, sondern sein technischer Leiter. Doch kann die letzterem erteilte Postempfangsvollmacht die Vollmacht des Vereinsvorsitzenden gemäß §§ 26 Abs. 2, 28 Abs. 2 BGB nicht aufheben. Wegen § 28 Abs. 2 BGB besteht auch keine Verpflichtung des Spielleiters, alle von einem Verein benannten Postempfänger anzuschreiben.

b) Zutreffend hat die I. Instanz für den Zugang der Entscheidung des Spielleiters beim Gastgeber auf den Zeitpunkt des Zugangs im eMail-Fach abgestellt. Das eMail-Fach hat dieselbe Funktion wie ein Hausbriefkasten für den Zugang von Schreiben. Mit Eingang im eMail-Fach ist die Information in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt (vgl. Michael Ultsch, Zugangsprobleme bei elektronischen Willenserklärungen. Dargestellt am Beispiel der Electronic Mail, NJW 1997, 3007).

c) Folgerichtig hat das Bezirksschiedsgericht erwogen, ob Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Säumnis der Protestfrist zu gewähren ist. Seine Erwägung, wenigstens eine Woche nach Auftauchen des Defekts am PC hätten Bemühungen unternommen werden müssen, die eMails von einem anderen PC aus abzurufen, ist allerdings insoweit wenig überzeugend, als z. B. während eines Urlaubs gleichfalls nicht eine regelmäßige Öffnung des Hausbriefkastens und entsprechend des eMail-Fachs erwartet werden darf.

Dies hilft dem Gastgeber allerdings nicht weiter. Er hat ersichtlich vor Beginn des Wettkampfes keine ausreichenden Vorbereitungen zu dessen Durchführung getroffen. Nach § 10 Abs. 1 b) WTO gehört zu den Aufgaben der Mannschaftsführer die Prüfung der gegnerischen Mannschaftsnominierung. Er muss die Aufstellung an Hand der ihm vom Spielleiter übermittelten Informationen überprüfen. Für diese Aufgabe werden die Mannschaftsaufstellungen von den Spielleitern den am Turnier beteiligten Vereinen übermittelt. Der Gastgeber ist hier ersichtlich ohne die entsprechenden vom Spielleiter übermittelten (gegnerischen) Mannschaftsaufstellungen angetreten. Der Mannschaftsführer hat die gegnerische Mannschaftsnominierung nicht oder nur an Hand der von der Gästemannschaft mitgebrachten Unterlagen überprüft.

Für die Erfüllung der Aufgaben des Mannschaftsführers benötigte der Gastgeber das Rundschreiben des Spielleiters mit den Aufstellungen der beteiligten Mannschaften. Nachdem es ihm nicht zugegangen war, hätte er deshalb noch vor dem Spieltag beim Spielleiter nach dem Verbleib der Mannschaftsaufstellungen nachfragen müssen, um das Rundschreiben zu erlangen. Hätte er es erlangt, hätte er zugleich die in diesem Rundschreiben mit enthaltene Mitteilung über die Verweigerung der Teilnahmeberechtigung erhalten und damit vor dem Wettkampf dem Spielleiter die Spielberechtigung durch Vorlage der nummerierten Bescheinigung nachweisen können. Das dem Gastgeber anzulastende Verschulden besteht darin, dass er nicht nach dem Verbleib von Post nachgefragt hat, mit deren Versendung er rechnen musste. Auf Grund dieses Verschuldens kann keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

Dieses Ergebnis ist nicht unverhältnismäßig, sondern Folge eines Pflichtenverstoßes des Gastgebers. Selbst wenn der Gastgeber auf Grund eigener Bemühungen erst am Vortag in den Besitz des Rundschreibens gelangt wäre, wäre zwar die Protestfrist abgelaufen gewesen, hätte er aber noch unter Vorlage der vorläufigen Spielberechtigung die Abänderung der Entscheidung über die Teilnahmeberechtigung beantragen können. In diesem Fall hätte die Bejahung eines Anspruch auch auf ihre rückwirkende Erteilung nahe gelegen.

c) Es kommt deshalb nicht auf den wenig überzeugenden Einwand des Gastgebers an, der Spielleiter habe ungerechtfertigt einer unvollständigen Mitgliederliste vertraut und beim Passbeauftragten wegen der Spielberechtigung des Spielers Spelsberg-Korspeter nachfragen müssen. Es ist allerdings misslich, dass das vom Verband verwendete Programm für die Mitgliederverwaltung die Korrektur der versehentlichen Löschung eines Spielers durch den Passbeauftragten nur in einer Form zulässt, die ihrerseits weitere Fehler wie vorliegend nach sich ziehen kann.

d) Der Hinweis auf eine langjährige Praxis in einem Schachbezirk könnte im übrigen keine Verletzung der für den Verband verbindlichen Verfahrensregeln rechtfertigen.

3. Da beim Wettkampf eine Teilnahmeberechtigung des nominierten Spielers Spelsberg-Korspeter nicht vorlag und wie vorstehend ausgeführt mangels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht rückwirkend erteilt werden darf, ist der Wettkampf gemäß § 12 Abs. 4 WTO zwingend mit 0 : 8 zu Gunsten der Gästemannschaft als gewonnen zu bewerten.

4. § 12 Abs. 5 Schiedsordnung verweist auf die Kostenregelungen des FGG und der StPO. Nach § 13 a FGG werden in der Regel außergerichtliche Kosten nicht erstattet. Für das vorliegende Berufungsverfahren bestand kein Anlass von dieser Regelung abzuweichen. Die vom Gastgeber zu tragenden Verfahrenskosten sind entrichtet.

Dr. Rolf Gutmann Siegfried Kast Rolf Burkert