Schiedsspruch bezüglich der Online-Austragung der Schnellschach-Meisterschaft

Veröffentlicht am: 19.09.2021 von Karlheinz Vogel in: Schiedsgericht » Urteile Drucken
  1. Die Anträge werden abgelehnt.

  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet

Sachverhalt:

Nach unbestrittenem Vortrag des Antragstellers veröffentlichte der Antragsgegner am 09.08.2021 auf seiner Homepage eine Ausschreibung für die Baden-Württembergische Schnellschach-Einzelmeisterschaft als Online-Turnier am 04.09.2021 auf der Plattform Lichess. Nachdem die Ausschreibung zwischenzeitlich von der Homepage entfernt wurde, veröffentlichte sie der Antragsgegner am 16.08.2021 erneut in identischer Form. Inzwischen wurde die Meisterschaft auf den 05.09.2021 verschoben.

Am 19.08.2021 beantragte der Antragsteller per E-Mail an das Verbandsschiedsgericht, dem Antragsgegner durch einstweilige Anordnung zu untersagen, die Baden-Württembergische Schnellschach-Einzelmeisterschaft 2021 als Online-Turnier durchzuführen sowie die Entscheidung des Antragsgegners, die Meisterschaft als Online-Turnier durchzuführen, aufzuheben. Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, die WTO lasse nur „Präsenzveranstaltungen“, also keine Online-Durchführung von Verbandsturnieren zu. Hätte der Antragsgegner aufgrund der Corona-Pandemie davon abweichen wollen, hätte er besondere Regelungen treffen können, wie in § 35 WTO zeitweilig geschehen. Davon habe der Antragsgegner in Bezug auf Online-Turniere aber aus guten Gründen keinen Gebrauch gemacht. Nach der Corona-Sport-Verordnung des Landes Baden-Württemberg bestünden gegen eine Präsenzveranstaltung bei Beachtung bestimmter Hygiene-Regeln keine Bedenken. Obwohl der Antragsgegner keinen Ausrichter für die Schnellschach-Meisterschaft gesucht habe, lägen Zusagen von Vereinen (auch des Antragstellers selbst) vor. Bei der Entscheidung zur Online-Austragung habe der Antragsgegner insbesondere die Gefahren des Cheatings nicht berücksichtigt.

Der Antragsgegner trat den Anträgen mit Stellungnahme per E-Mail am 25.08.2021 entgegen. Nach der WTO müssten nicht alle Veranstaltungen zwingend in Präsenz durchgeführt werden. Für die Art und Weise der Durchführung der Schnellschach-Meisterschaft sei der Verbandsspielausschuss zuständig. Gemäß § 8 Abs. 1 WTO sind die Regeln der FIDE anzuwenden. Die FIDE habe selbst Regelungen für Online-Turniere festgelegt. Ergänzend trägt der Antragsgegner zu Problemen bei der Terminfindung und zum Risiko von Cheating vor.

Mit E-Mail vom 27.08.2021, welcher der Antragsteller entgegentritt, geht der Antragsgegner ergänzend davon aus, dass die Anträge bereits unzulässig seien, da ein Schachverein durch die Entscheidung zur Online-Durchführung der Schnellschach-Einzelmeisterschaft nicht in eigenen Rechten verletzt sei.

Im Übrigen wird auf die Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Anträge sind jedenfalls unbegründet.

I. Das Verbandsschiedsgericht ist zuständig, obwohl die Schnellschach-Meisterschaft als Baden-Württembergische Meisterschaft ausgeschrieben ist. Gemäß § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 1 Satz 1, § 33 WTO ist die Schnellschachmeisterschaft ein Turnier des Antragsgegners mit dem Verbandsspielausschuss als zuständiger Spielleitung. Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 WTO ist sie offen für Spieler des Badischen Schachverbands.

Die Anträge sind innerhalb von 10 Tagen ab Veröffentlichung der Ausschreibung der Schnellschachmeisterschaft und damit fristgerecht gemäß § 17 SchiedsO gestellt worden, selbst wenn die Frist bereits durch die erste Veröffentlichung am 09.08.2021 in Gang gesetzt worden wäre.

Ob eine Antragsbefugnis des Antragstellers besteht, lässt das Verbandsschiedsgericht offen. Es erscheint fraglich, ob ein Verein durch die Entscheidung beschwert wird, ob ein Turnier online oder als Präsenzveranstaltung durchgeführt wird. Das muss hier aber nicht entschieden werden.

II. Denn die Anträge sind jedenfalls nicht begründet. Da das Verbandsschiedsgericht kurzfristig in der Sache entscheiden konnte, sieht es den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als erledigt an.

1. Aus Sicht des Verbandsschiedsgerichts ergibt sich weder aus der Satzung des Antragsgegners noch aus der WTO, dass eine Online-Austragung von Verbandsturnieren von vornherein unzulässig wäre. Zwar stammen die wesentlichen Regelungen der WTO aus einer Zeit, in der an die Möglichkeit einer Online-Austragung sicherlich nicht gedacht wurde. Regelungen, die einer solchen Austragung zwingend entgegen stünden, sind aber nicht ersichtlich. Auch der Antragsteller hat hierzu nichts Konkretes vorgetragen.

2. Aus Sicht des Verbandsschiedsgerichts können die Satzung und die WTO (auch wenn bei ihrer Entstehung nicht an Online-Turniere gedacht wurde) „dynamisch“ ausgelegt werden, also in Orientierung an aktuellen (auch technischen) Entwicklungen. Dafür spricht, dass gemäß § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 der Satzung das Schachspiel "in all seinen Formen" und die Austragung von Schachturnieren "aller Art" gefördert wird. Gemäß § 8 Abs. 1 WTO sind "die Regeln der FIDE anzuwenden". In der Tat hat die FIDE, worauf der Antragsgegner hinweist, Anfang 2021 offizielle „FIDE Online Chess Regulations“ veröffentlicht. Daher lässt sich der WTO ein Wille entnehmen, die jeweils gültigen Regeln der FIDE, aber auch die von der FIDE einbezogenen Austragungsformen, zu übernehmen.

3. Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner keine ausdrücklichen Regelungen zur Online-Austragung von Turnieren in die WTO aufgenommen hat. Dem Antragsteller ist allerdings zuzugeben, dass hierfür gerade aufgrund der Corona-Pandemie (die zu einer zumindest zeitweisen Verlagerung in Richtung Online-Schach geführt hat) ein Anlass bestanden hätte und klarstellende Regelungen grundsätzlich empfehlenswert sind. Eine Durchsicht von Sitzungsprotokollen im Januar 2021 zeigt aber, dass der Antragsgegner gerade nicht bewusst von Regelungen abgesehen hat, weil er Online-Turniere hätte vermeiden wollen. Vielmehr wurde in der Sitzung des Verbandsspielausschusses am 07.01.2021 sowie in den Sitzungen des Präsidiums des Antragsgegners am 13.01.2021 und am 27.01.2021 ausdrücklich über die Möglichkeit einer Online-Ausrichtung von Verbandsturnieren diskutiert und für denkbar gehalten. Die Mannschafts-Blitzmeisterschaft wurde am 13.03.2021 als Online-Turnier gestartet und nur aus technischen Gründen abgebrochen und für den 15.05.2021 (erneut als Online-Turnier) neu angesetzt.

Hieraus ergibt sich, dass der Antragsgegner offenbar ohne näheres Problembewusstsein davon ausging, dass Verbandsturniere ohne weitere Regelungen in der WTO online ausgetragen werden können. Es mag überraschen, dass dabei nicht über ausdrückliche bzw. klarstellende Ergänzungen der WTO diskutiert wurde (jedenfalls ergibt sich so eine Diskussion nicht aus den genannten Protokollen). Allerdings lässt sich daher nicht unterstellen, der Antragsgegner habe deshalb nichts geregelt, weil er Online-Turniere nicht hätte zulassen wollen.

4. Mit dieser Entscheidung bewertet das Verbandsschiedsgericht ausdrücklich nicht, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen eine Online-Austragung von Turnieren des Antragsgegners „sinnvoll“ ist. Soweit die WTO keine näheren Vorgaben enthält, steht dem Antragsgegner bzw. dem Verbandsspielausschuss ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Dabei sind sicherlich auch die von dem Antragsteller genannten Überlegungen (Einfluss der Online-Verbindung und Hardware als zusätzlicher Faktor, Risiko des „Cheatings“, abweichender Modus von der Deutschen Meisterschaft) einzubeziehen. Eine Kontrolle durch das Verbandsschiedsgericht ist insoweit aber nur in begrenztem Umfang möglich.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 12 SchiedsO. 

Alexander Häcker, Gerald Winkler, Bernd Hähnle