„Deutsche Eröffnung“ gesucht

Veröffentlicht am: 10.12.2013 von Holger Schröck in: Referat Ausbildung » Berichte Drucken

Paul Sturm wird Lizenztrainer mit 79 Jahren – Rekord

Paul SturmUlm/Illertissen. „Paul Sturm ist ein Phänomen“, sagt der württembergische Ausbildungsreferent Armin Dorner. Denn der gebürtige Memminger, der erst mit knapp 40 Jahren das Schachspielen begann, hat mit 79 Jahren an der Sportschule Stuttgart-Ruit den C-Trainerschein gemacht. Damit ist er wohl der älteste Sportler Deutschlands, der diese staatlich anerkannte Lizenz erworben hat. Ein außergewöhnlicher Rekord.

Paul Sturm, gelernter Elektrotechniker, ist heute beim SV Jedesheim (Illertissen) in Oberschwaben noch selbst aktiver Mannschaftsspieler. Außerdem hat er an vielen Seniorenmeisterschaften teilgenommen, mit wertvollen Schacherfahrungen und hilft aus bei Schach-AGs an Ulmer Schulen. Den bekannten Ulmer Großmeister Klaus Bischoff, der heuer den deutschen Meistertitel errang, hat Paul Sturm dereinst als Buben beim Post SV Ulm eine Zeitlang betreut.

Der belesene Paul Sturm, stolzer Besitzer von weit mehr als tausend Schachbüchern, hat einen Traum: „Ich suche nach der perfekten Eröffnung, damit mich keiner mehr knacken kann“, sagt er im Gespräch. Die soll dann „deutsche Eröffnung“ heißen, denn die gibt es erstaunlicherweise (noch) nicht. Eine ganze Reihe von Ländern haben Eröffnungsnamen bekommen: Französisch, Italienisch, Spanisch, Englisch, Schottisch, Russisch, Indisch oder Lettisch.

Paul Sturm, Vater von vier Kindern und unterdessen fünffacher Opa, hat gegen eine Reihe von berühmten Großmeistern simultan gespielt, ob Unzicker, Pachmann, Pfleger oder Hort, „ich kenne sie alle“, sagt der nicht nur geistig sondern auch körperlich fast schon unerhört vitale Schwabe. Er führt die geistige Fitness auf das königliche Spiel zurück, die körperliche Gesundheit darauf, dass er 21 Jahre lang täglich, bei jedem Wetter, pünktlich die Tageszeitung zugestellt hat. Sein Erzähldrang ist ungebremst. Er kann eine Schachrunde den ganzen Abend mit Anekdoten unterhalten.

Der Kreisligaspieler hatte die zweistündige schriftliche Schachprüfung auf Anhieb bestanden. Ebenso die 20-minütige Lehrprobe (Thema: die Quadratregel im Bauernendspiel), vor der gestrengen Prüfungskommission, der ein Vertreter des Kultusministeriums angehört. Die Teilnehmer lernten während ihrer gut halbjährigen Ausbildung in Ruit von kompetenten Trainern, wie dem lettischen Großmeister Zigurds Lanka, dem holländischen Autor der Stappen-Methode Cor van Wijgerden oder dem Backnanger Trainer des Jahres 2008, Ulrich Haag, der Arik Braun auf dem Weg zum Großmeister betreute.

Bei der sportbiologischen Prüfung haderte der im Mai 79 Jahre alt gewordene Oberschwabe mit den vielen Fremdwörtern wie induktiv und deduktiv, koordinativ und isometrisch, ex- und konzentrisch – welcher Schachspieler, der sich damit herumplagen muss, verwechselt da nicht mal die Begriffe, wenn er beispielsweise die „lohnende Pause bei der extensiven Intervallmethode“ erläuten soll? Doch Paul Sturm biss sich regelrecht durch („Ich habe noch meine eigenen Zähne“), paukte wochenlang, löcherte befreundete C-Trainer mit Fragen und bestand die Nachprüfung im Herbst „mit Bravour“, wie Ausbilder Armin Dorner mit großer Freude verkünden konnte. Der SVW-Referent ist selbst ein bisschen stolz, denn er glaubte an den Haudegen, hat Paul ständig ermutigt, hartnäckig zu bleiben und sich erneut der Prüfung zu stellen. Vereinigt Paul Sturm doch alle Fertigkeiten und Fähigkeiten, die einen guten Schachtrainer und Schachspieler auszeichnen.
(ado)